Konstanze hatte den Vormittag in der üblichen Routine verbracht, war Einkäufe erledigen, auf der Post, Schulsachen für die Kinder besorgen und hatte das Haus fertig aufgeräumt. Sie selbst war alles andere als aufgeräumt. Es hatte die ganze Zeit in ihr rumort. Mit gemischten Gefühlen blickte sie auf ihr frisch geordnetes Wohnzimmer. Zum Einen war sie stolz, wie stilsicher, liebevoll und  mit Sinn fürs kleinste Details sie es eingerichtet hatte.
Doch gerade jetzt erschrak sie selbst angesichts dieses fast schon zu perfekten Anblicks. Wie ein optimal arrangiertes Bild in einem Hochglanz-Wohnmagazin. Gerade so als würde hier niemand wohnen. Entschlossen zerknautsche sie die Kissen, lies sich rückwärts auf die frisch gefaltete Wolldecke fallen, warf die Beine über die Sofalehne und lies den Kopf leicht über dem Boden baumeln. Sie atmete tief ein. Und lachte. So auf dem Kopf sah das Ganze doch gleich viel besser aus. Und so ungewohnt.

Vielleicht lag es daran, daß sie ein besonderes Auge für Harmonie und ein Händchen für stilsichere Dekoration und Mode hatte. Vielleicht war das ihr Talent. Oder sie war genau zu dem geworden was sie nie sein wollte: genauso angepasst und spießig wie ihre Eltern. Dort hatte sie das ewig perfekte gehasst. Immer hatte alles gepasst, immer war alles geordnet und vorzeigefähig.

Ohne es zu merken, war sie im Grund nicht anders als Ihre Eltern, über deren Spießigkeit sie sich immer noch monieren konnte. „Ob es ihren Kindern womöglich genauso ging?“ erschrocken setzte sie sich auf. „Nein. Ganz so schlimm würde es sicher nicht sein!“ „Immerhin durften die beiden all die Hobbies ausüben, auf die sie Lust hatten“ fiel ihr ein „Und wenn der gewählte Ballet-Unterricht oder der Schwimmverein doch keinen Spaß mehr machten, durften sie ja auch aufhören. Was neues ausprobieren. Oder nichts machen.“ Etwas besänftigt angesichts dieser Erkenntnis ging sie in die Küche und machte sich einen Tee.

Im Spiegel fielen ihr im Vorbeigehen ihre blonden Haare auf. Seit wann blondierte und strähnte sie eigentlich schon ihre Haare, nur um blonder zu wirken als sie eigentlich war? Sie wusste es nicht und konnte sich schon selbst kaum mehr an ihre Naturhaarfarbe erinnern. Da müsste sie schon sehr weit in ihren Fotoalben blättern. Wohl seid der Pubertät, als man eben anfing Haare zu färben, zu strähnen oder gleich mit Dauerwelle zu drangsalieren. Rötlich zählte damals noch nicht zu den Modefarben und war peinlich – zumindest ihr. „Die rote Zora“ wurde sei mal ganz früh in ihrer Kindheit genannt, bzw. gehänselt.

Es war Zeit das Mittagessen zu bereiten. Die Kinder würden in einer halben Stunde aus der Schule zurück sein. Mit Blick auf die frisch von Hand zerknautschten Kissen auf dem Sofa, schüttelte sie den Kopf. Sie musste auch nicht jeden Mittag mit einem perfekten Mittagessen aufwarten. Diese halbe Stunde würde sie sich jetzt für sich gönnen.

Sie nahm sich einen Block und die Malstifte ihrer Kinder und ging in den Garten. Kaum nachdem sie mit ihrer Tasse Tee Platz genommen hatte, malte sie wie elektrisiert auf das weiße Blatt. Ihre Hand kritzelte kleine Striche, mal dicker mal dünner, unaufhaltsam, bis sich daraus ganze Figuren erkennen ließen. In schwungvollen Strichen schneiderte sie den frisch geschaffenen Figuren passende Kleider auf den Leib und skizzierte passende Accessoirs. Immer flinker glitten ihre Hände über das nächste und übernächste Blatt.